Vorwort Dieser neuen Uebersetzung des großen Geschichtschreibers wünscht der Verdentscher, daß sie ihr bescheidenes Theil beitragen möge, den Schatz politischer Weisheit und richtiger Beurtheilung menschlicher Dinge, welche das Bnch auszeichnen und es zu „einem Besitzthum für alle Zeiten" mahcen, mehr und mehr auch in den Besitz unseres Volks zu bringen. Die Aehnlichkeit der Zustände in geistigen und politischen Dingen im damaligen Hellas und im heutigen Deutschland ist zwar nicht so groß, wie Viele glauben und fürchten, aber doch immer groß genug, um für unsere Gegenwart reiche Belehrung und Zurechtweisung zu bieten, und das Geschichtswerk des Thukydides ist das Buch, welches solche am reichlichsten enthält. Dieser Uebersetzung liegt vorzugsweise der Text und die Texterklärung der Krüger'schen Ausgabe zu Grunde, die wohl lange Zeit ein Muster für Herausgeber griechischer Schriftsteller bleiben wird. Auch ist eine gute Zahl Anmerkungen mit hernbergenommen worden. Ueber meine Auffassung einiger schwierigen Stellen werde ich mich an einem anderen Orte aussprechen. Wien, im September 1864. Der Ueberjetzer. Leben des Thukydides. Thukydides, Sohn desOlvroS, ist nach der wahrscheinlicheren Angabe im Jahr 456, nach einer andern schon 471 v.Chr. in der attischen GemeindeHalimns, Stamm Leontis, geboren. Er war vornehmer Abkunft, denn sein Vater stammte von dem Thrakerkönig Oloros ab, und demselben Geschlecht gehörte auch seine Mutter Hegesipyle an. Es ist wahrscheinlich, daß diese eine Tochter des Miltiades war, der eine Tochter des Königs Oloros zur Frau hatte, und in diesem Falle war Thukydides ein Enkel des Siegers von Marathon. Nahe verwandt mit dem Hause des Miltiades war er jedenfalls, da seine Asche im Familienbegräbnisse des Kimon beigesetzt wurde. Erzählt wird, als Knabe sei Thukydides mit seinem Vater zn Olympia gewesen und habe dort seinen Vorgänger in der Geschichtshcreibung, Herodot, das Buch vom Perserkrieg vorlesen hören. Darüber sei er begeistert in Thränen ausgebrochen, und Herodot habe zum Vater gesagt: „Oloros, die Natur deines Sohnes schwillt von Wissenstrieb." Doch wird diese Erzählung von Neueren nicht für hinreichend verbürgt gehalten. Glanblich ist, daß der Philosoph Anaxagoras sein Lehrer gewesen sei, und auch Autiphon könnte ihn wohl in der Redekunst unterwiesen haben, wie Einige berichten. Man glaubt eben Grund zu der Annahme zu haben, daß ein Schriftsteller von so gebildetem Geiste und so großer Kunst der Darstellung auch die ersten Männer seiner Zeit zu Lehrern gehabt haben müsse. Gleich mit dem Beginne des Kriegs fing Thukydides an, dessen Geschichte anfzuzeichueu. Von der Pest wurde auch er befallen, als diese in den ersten Kriegsjahren Athen heimsuchte. Im achten Jahre des Kriegs wurde er Feld Herr und lag mit sieben Schiffen bei der Insel ThasoS, als Amphipolis vom Lakedämonier Brasidas bedroht wurde. An der Thrakischen Küfte zu Skapte Hyle besaß er Goldbergwerke und gehörte deßhalb zu den einflußreichsten Männern jener Gegend. Da nun die athenische Partei in Amphipolis, mehr von seinem Einflüsse auf die umwohnenden Thraker, als von seiner geringen Sckiffszahl Hülfe erwartete, so rief sie ihn herbei. Er leistete schleunigst Folge, kam aber nur eben noch zeitig genug, um wenigstens den Hafenort Eion zu retten, denn Amphipolis war bereits übergegangen. Dieser Mangel glückliches Erfolgs wurde von den Athenern mit der Verbannung bestraft, in welcher er zwanzig Jahre meist in Ländern des peloponnesischen Bundes verlebte, wohl aber auch zeitweilig in Skapte Hyle, wo später eine Platane gezeigt wurde, in deren Schatten er an seinem Geschichtswerke gearbeitet haben sollte. Aus Skapte Hyle war auch seine Frau, eine reiche Besitzerin, gebürtig. Die Muße dieser Verbannung benutzte er, um den nöthigen Stoff zu seinem Geschichtswerke zu sammeln, wohl auch schon zur völligen Ausarbeitung einzelner Theile desselben. Die letzte Üeberarbeitnng kann es aber erst nach seiner Rückkehr in die Vaterstadt erhalten haben, die im I. ^04 v. Chr. in Folge eines besonderen Nückberufnngsbeschlusses stattfand. Er lebte wohl noch bis 396 v. Chr., wo ihn — wahrscheinlich zu Skapte Hyle — die Hand eines Mörders traf. Leider war damals sein Werk noch unvollendet, denn wie es uns vorliegt, umfaßt es nur die ein und zwanzig ersten Kriegsjahre. Das achte und letzte Buch ist weniger ausgearbeitet, als die früheren, weßhalb von Einigen seine Tochter als Verfasserin desselben angesehen ward"). *) Die griechischen Nachrichten über Thnkydides stehen verdeutscht am Schluß des II. Bandes. Man vergleiche: K.W. Krüger, Untersuchungen über das Leben des Thnk., Berlin 1832, nnd: Epikritischer Nachtrag zn den Untersuch. Inhalt des ersten Buches. Einleitung. Kap. 1—23. Große Bedeutung des peloponnesishcen Krieges 1. — Aelteste Zustände der Hellenen und Fortschritt zur Cultur 2-8. — Trojanischer Krieg und seine Folgen 9—12. — Aufschwung des Seewesens 13. 14. — Landkriege 15. — Die Perser kommen auf. Kyros und Dareios 16. — Tyrannen in Hellas 17. — Perserkriege 18. — Verhältniß zwischen Sparta und Athen 19. — Mängel der früheren Geschichtschreibung und besonderer Charakter dieses Werkes 20—22. — Wichtigkeit und Hauptursache dieses Krieges 23. Besondere Veranlassungen zum Ausbruch des Krieges. Kap. 23—66. Krieg zwischen den Kerkyräern und Korinthern wegen Epidamnos 24—31. — Rede der Kerkyräer zu Athen 32—36. — Gegenrede der Korinther 37—43. — Athen schickt den Kerkyräern Hilfe 44. 45. — Die beiden feindlichen Flotten 46—48. — Seeschlacht und deren Folgen 49—55. — Abfall Potidäa's und Kämpfe um dasselbe 56—66. Die Lakedämonier beschließen für sich den Krieg. Kap. 67—87. Versammlung der Bundesgenossen zu Sparta 67. — Rede der Korinther 68—71. — Gegenrede der Athener 72 — 78. — Rede des Königs Archidamos 79—85. — Rede des Ephoren Sthenelaides 86. — Sparta beschließt den Krieg 87. Die eigentliche Ursache des Kriegs ist die Eifersucht Sparta's gegenüber der wahcsenden Macht Athens. Wie Athen seine Macht allmälig erwei tert hat. Kap. 88—118. Sparta's Eifersucht 88. — Athen setzt den Kampf gegen die Perser fort und wird auf des Themistokles Antrieb befestigt 89—93. — Die Bundesgenossen gehen zu Athen über 94—96. — Weitere Unternehmungen Athens gegen Eion, Skyros, Karystos, Naxos 97. 98. — Verfahren gegen seine Bundesgenossen 99. — Schlacht am Eurymedon. Thrakien 100. — Dritter messenischer Krieg 101. 102. — Megara geht zu Athen über 103. — Athener in Aegypten 104. — Krieg mit Korinth 105. 106. — Schlacht bei Tanagra 107. —Böotien, Aegina und der Peloponnes 108. — Aegypten 109. 110. — Unternehmungen Athens gegen Thessalien, Kypros, Böotien, Euböa 111—114. — Samos 115—117. — Eifersucht der Lakedämonier 118. Der Peloponnesische Bund beschließt den Krieg. Kap. 119—125. Versammlung zu Sparta 119. — Rede der Korinther 120—124. — Der Krieg wird beschlossen 125. Gegenseitige Beshcwerdeführungen. Kap. 126 bis 138. Wegen des Kylonischen Frevels 126. 127. — Wegen des Pausanias; dessen Verrath und Ende 128—134. — Wegen des Themistokles; dessen letzte Schicksale 135—138. Die Athener beschließen den Krieg. Kap. 139 bis 145. Forderungen der Lakedämonier 139. — Rede des Perikles 140—144. — Abfertigung der Lakedämonier 145. — Schluß. Kap. 146. Erstes Buch. Thukydides, Bürger von Athen, hat den Krieg der Peloponnesier und Athener beshcrieben, wie ihn beide Theile gegen einander geführt, und hat das Werk gleich beim Ausbruch des Kriegs begonnen, weil er voraussah, daß derselbe sehr bedeutend und viel merkwürdiger als alle früher geführten werden müsse ^). Er schloß dies aber, weil er Augenzeuge war, wie beide Theile, als sie ihn begannen, in den Kriegsmitteln aller Art das Höchste leisteten -), und weil er 1) Niebuhr (kleine histor. und philol. Schriften B. 2. S. 1SS) „bekennt, daß er mit Hume das erste Blatt des ThukydideS für das erste der eigentlichen griechischen Geschichte hielt." — Mit antiker Einfachheit kündet sich der Verfasser selbst als solchen an, wohl zugleich, um hiedurch, wie durch die öftere Einschaltung des Namens am Schlüsse der einzelnen Bücher sein Eigenthumsrecht zu sichern (Krüger). Unsere Meistersänger thaten desgleichen. — Den Krieg der Ath. u. Pel.- an früheren Kriegen hatten die Peloponnesier wenig Antheil genommen.» Der Name peloponnefischer Krieg entstand erst später (Krüger). 2) Wasfenrüstnng, Schiffe, geübte Mannschaft und — Geld. Man denke an den alten Ausspruch, den Neuere dem MontecuccuU in den Mund zu legen pflegen: Zum Krieg braucht man drei Dinge: Geld, Geld und wieder Geld. — Der Geldmangel der Peloponnesier ist I, 80. 141. 142 von den Redenden übertrieben; sogar reich waren einzelne Staaten, wie Korinth I, 13. Ueberdies konnte man sich der Tempelfchiitze bedienen I, 121. 143. (Kr.) — Ans Rüstungen — wenn auch nicht aus diesen allein — schließt Thukydides aus Krieg. Man denke hier an den umgekehrten Schluß, den neuere Politiker gemacht haben: Unsere Rll- Thnkydides I. 1 sah, daß auch alle übrigen Hellenischen Staaten sich entweder der einen oder der andern Partei bereits anschlössen, oder doch im Sinne hatten, es zu thun ^). Und in der That ist dieser Krieg für die Hellenen und einen Theil der barbarischen Völker, ja man kann fast sagen, für einen sehr großen Theil der gesamten Menschheit zu der gewaltigsten Erschütterung geworden^). Zwar war es mir wegen der Länge des Zeitraums unmöglich, eine deutliche Vorstellung von den Begebenheiten zu gewinnen, welche sich vor diesem Krieg und in noch früherer Zeit ereignet haben, aber ich schließe doch aus gewissen Anzeichen, die ich bei meinen sehr weit in die Vergangenheit zunicksteigenden Forschungen als zuverlässig erkannt habe, daß in früherer Zeit weder im Kriege, noch sonstwie Großes geschehen ist. Denn es ist offenbar noch nicht so gar lange her, daß das Land, welches jetzt unter dem Namen Hellas begriffen wird, festansäßige Bewohner hat; vielmehr zeigen sich häufige Veränderungen des Wohnsitzes: ein Jeder trennte sich leicht von seinem Wohnplatz, wenn überlegene Zahl ihn drängte. Handel nämlich gab es nicht, und weder zu Land noch zur See verkehrten die Menschen friedlich mit einander; Jeder zog nur, wessen er zum Leben nicht entrathen konnte, und suchte weder Vermögen zu erwerben, noch wandte er große Sorgfalt auf die Bebauung des Bodens; denn er konnte nicht wissen, ob nicht ein Stärkerer kommen und ihn des Seinigen berauben werde, was ohne große Mühe geschehen mochte, da die Wohnplätze nicht befestigt waren. Was er aber zur täglichen Nothdurft brauchte, durfte er hoffen sich überall stungen sind so ungeheuer, daß man schließlich wird allgemein entwaffnen müssen (1S5S. 65). Seitdem sind den Rüstungen große Kämpfe gefolgt, die wiederum «noch ausgedehntere, sich wie ins Unendliche steigernde Rüstungen zur Folge hatten. 3) DaS Letztere kann, wenn auch nicht ausschließlich, auf die Italischen und Sicilischen Hellenen bezogen werden (Kr.). 4) Der fast dreißigjährige Kampf, welcher die politischen und moralischen Mittel der gesamten Hellenenwelt aufrieb, mußte dem Thukydides, zumal -er den Krieg selber erlebte und mitfocht, viel wichtiger ershceinen als der ruhmvoll beendigte Perserkrieg, in welchem Neuere gern das Ereigniß sehen, das der occidentalischeu Welt die Möglichkeit einer selbstständigen Entwickelung ossen gehalten hat. (Vgl. I, 21 am Schluß und I, 23 zu Anfang.) Das gescheiterte Unternehmen der Perser scheint heute Rußland wiederholen zu wollen (13 78). leicht zu verschaffen, und so kam es ihn nicht schwer an, seinen Wohnsitz zu wechseln. Zum Besitz größerer Städte oder sonstwie zu Macht und Bedeutung konnten sie es deshalb nicht bringen. Der häufige Wechsel der Bewohner traf aber gerade immer das vorzüglichste Land, — so die Landschaften, welche jetzt Thessalien und Böotien heißen, auch den größten Theil des Peloponnes, mit Ausnahme Arkadiens ^), und wo sonst die besten Ländereien waren. Wegen der Trefflichkeit des Bodens nämlich erhoben sich Einige zu besonderem Wohlstand, und dieser erzeugte wiederum innere Unruhen, die Schwächung mit sich brachten, und zugleich fand auch die Begierde feindlicher Stämme sich besonders gereizt. Hingegen blieb Attika von der ältesten Zeit her seines geringeren Bodens wegen ohne innere Umwälzungen und behielt immer dieselben Bewohner ^). Und hierin liegt nicht der schwächste Beweis für die Behauptung, daß die übrigen griechischen Staaten grade der Wohnungsveränderungen wegen nicht zu gleicher Blüte gelangten. Wenn nämlich aus dem übrigen Hellas durch Krieg oder Aufruhr ein Theil der Einwohner vertrieben wurde, so wende- 5) Thessalien hieß erst so seit Einwanderung der Thessaler, eines theSprotischen Stammes (Herod. VII, 176. vgl. Thnkyd. I, 12.), früher Pyrrhäa, dann Hämonia. Ueber die Fruchtbarkeit des Landes s. Herod. VII, 12S. Strabo IX, S. 430. Xenoph. Hellen. VI, 1, 11. (Kr.) 6) Ueber BöotienS Fruchtbarkeit vgl. Krufe, Hellas II, 1. S. 419. (Kr.) 7) Durch Gebirge und Tapferkeit geschützt, behaupteten sich die Arkader selbst gegen die Dorier und Herakliden Gerad. II, 171.), stolz darauf, Autochthonen zu sein. Xenoph. Hellen. VII, I, 23. (Kr.) 8) Attika (kaum 40 mM.) hatte einen nur sparsam bewässerten, steinigen Boden mit leichter Erddecke. Getreide wurde nicht hinreichend erzeugt. Ausgezeichnete nnd reichliche Baumfrüchte, namentlich Oliven und Feigen, befriedigten kein nothwendiges Bedürfniß. Deshalb heißt es, wie bei Homer Jthaka, bei den Dichtern das steinige, rauhe (krs.ng,a,), und die Sage erfindet als Nachfolger des Gründers von Athen einen König Kranaos, nach welchem Athen auch Stadt des Kranaos, und die Athener Kranaer und Söhne des Kranaos genannt werben. Als solche, welche ihre Wohnsitze nie verändert hatten, nannten sich die Athener Autochthonen, d. i. Eingeborne, und setzten einen Stolz darein. Deshalb läßt sie Herodot (VII, 161) so reden: „Wir hätten ja ganz umsonst die größte Seemacht „unter allen Hellenen erworben, wenn wir den Syrakusieru die Feldhauptmann„fchaft abtreten wollten, wir Athener, das älteste Volk, die allein von allen Hellenen ihren Wohnplatz nie verändert." 1* ten sich schon von Alters her grade die Ansehnlichsten unter diesen nach Athens, weil sie die dortigen Zustände für sicher hielten, nnd vermehrten als nene Bürger die Bewohnerzahl der Stadt in dem Maße, daß man später, als Attika nicht mehr ausreichte, Kolonien nach Jonien schickte ^). Auch in dem Folgenden liegt kein schwacher Beweis für die Kleinlichkeit der früheren Verhältnisse. Vor dem Trojanischen Kriege nämlich hat Hellas nichts Gemeinsames unternommen, ja es scheint mir sogar, daß dieser Gesamtname für das Vaterland noch gar nicht in Brauch war, und daß derselbe vor dem Hellen, dem Sohne des Deukalion, überhaupt nicht vorkam, sondern daß die andern Völkerschaften, vornehmlich aber die Pelasger "), dem Lande nach ihren 9) So kamen, der mythischen Erzählung von Tut hos und Ion nicht zu gedenken, aus Böotien die Gephyräer (Hcrod. V, 61), aus Pylos die Alkmäoniden und Päoniden Gerad. V, 65. Pausan. Il, 13). Andere nach der Rückkehr der Herakliden, Strabo XI, I. S. 393. ieus bezeichneten. 13) Denn Jl. II, 540, wo steht, ist unächt. (Kr.) 14). II, 683 f. Auch die Phthia bewohnten und Hellas, blühend an Jungfraun, Myrmidonen genannt, Hellenen zugleich und Achaier, Diesen in fünfzig Schiffen gebot obherrschend Achilleus. Hellas als Gegensatz von Argos (Peloponnes) erscheint Ob. I, 3 44 und IV, 80. (Krüger.) 15) Damit ist nur gesagt, daß das Wort Barbaren noch nicht dazu diente, die Gesamtheit der übrigen Nationen im Gegensatz zu den Hellenen zn bezeichnen. Den Ausdruck barbarisch hat Homer, denn II. II, 867 heißt es: Nastes führte die Karer, ein Volk barbarischer Mundart. weil der Gegensatz zu diesem Worte, nämlich der Gesamtname Hellenen, sich noch nicht gebildet hatte. Die Hellenen nun, wie sie eben städteweise oder später auch Alle, soweit sie die gemeinsame Sprache redeten^), mit jenem Gesamtnamen bezeichnet worden sind, haben vor dem Trojanishcen Krieg aus Unmacht und ihrer Vereinzelung wegen nichts Gemeinsames unternommen, und auch diesen Zug erst gewagt, nachdem sie im Seewesen schon mehr Erfahrung gewonnen. Der Erste nämlich, von dem uns gemeldet wird, daß er eine 1250 v. Chr. Motte besaß, war Minos. Dieser beherrschte den größten Theil des jetzt sogenannten Hellenischen Meeres und die Kykladischen Inseln, deren Mehrzahl er auch zuerst durch Ansiedelungen bevölkerte, nachdem er die Karer vertrieben und seine eigenen Söhne zu Oberhäuptern 16) Wörtlich: soweit sie einander verstanden. — Natürlich glaubte Thukydides, daß die hellenische Sprache nur die Sprache der eigentlichen Hellenen gewesen sei, nicht tauch) der Activa verwandten) Pelasger (vgl. VI, 109. Herod. I, 5 7. VI, 138), noch auch der Thraker (II, 2 9) u. A. (Kr.) 17) Bezug darauf, daß der Name Hellas früher nicht vorhanden oder nicht allgemein verbreitet war; denn das „Griechische Meer, soweit es Griechenland bespült" im Gegensatz des Makedonischen erscheint erst unter den Römern Hin. List. Xat. IV, II. Früher gab es für diese Gewässer mehrere Namen. (Krüger.) 18) Als die früheren Bewohner der griechischen Inseln werden Karer und Phöniker genannt. Die letzteren sind Semiten; die ersteren hat man neuerer Zeit auch dazu gemacht. Die semitische Bedeutung des Namens ist Ausgewanderte; man gesellt sie daher zu den Philistern (auch dieser Name ist gleich- bedeutend), welche mit andern Semiten als Auswanderer durch einige Jahrhunderte in Aegypten unter dem Namen Hyksos herrschten und, von hier vertrieben, sich zunächst auch auf griechischen Inseln niederließen. Daß Phöniker auf Kreta und vielen andern Inseln gesessen haben, unterliegt keinem Zweifel. Die Karer, welche bei und unter ihnen wohnten, werden aber als Stammverwandte der pelasgischen Leleger genannt, dürsten also am besten siir einen mit Phönikern stark gemischten Theil des Lelegerstammes zu erklären sein, wie dein auch ihre Sprache theils griechisch oder der griechischen ähnlich, theils semitisch war, Der Name Minos läßt sich ans der griechischen Sprache nicht erklären, gehört zweifellos der früheren nichtgrtechischen Bevölkerung an „und bezeichnet ein göttliches Wesen, das in menschlicher Gestalt auf der Erde geweilt, und dein das Volk die Anfänge höherer Gesittung und gesellschaftlicher Einrichtungen zu danken habe. Ebensowenig, bestellt hatte. Auch tilgte er in diesen Meeren, wie natürlich, das Seeräuberhandwerk so viel als möglich aus, damit ihm die Abgaben nm so sicherer zufließen konnten. Die alten Hellenen nämlich und wer von den Barbaren auf dem Festland die Meeresküste oder die Inseln bewohnte, nachdem sie erst einmal angefangen hatten, über See häufiger mit einander zu verkehren, verlegten sich dann auf Seeräuberei. Dabei übernahmen die Mächtigeren die Anführung, sowohl in der Absicht, sich selbst zu bereichern, als auch um den Aermeren ihren Unterhalt zu schaffen. Sie überfielen die unbefestigten, aus einzelnen Ortschaften zusammengesetzten Städte ^), raubten sie aus und zogen so aus diesem Handwerk ihren Hauptunterhalt, ohne daß übrigens auf demselben irgend ein Schimps gehaftet hätte, vielmehr war dabei eher Ruhm zu gewinnen. Dasselbe ist noch jetzt bei einigen Bewohnern des Festlandes der Fall, die einen Ruhm darein setzen, dergleichen Unternehmungen geschickt auszuführen, und auch die alten Dichter lassen überall an landende Seefahrer die Frage stellen, ob sie Räuber seien, so daß weder die, welche gefragt werden, diesen Beruf in Abrede stellen, noch auch die Fragenden einen Schimpf dareinlegen 2"). Aber auch aus dem Festland raubten sie einander aus, und bis aus den heutigen als Minos, können diejenigen für geschichtliche Personen gelten, welche das griechische Epos als seine Nachkommen nennt und als Könige über die ganze Insel darstellt, wie Jdomeneus und Meriones." Schömann, Griech. Alterth. I, S. 306 (vgl. S. 2. 12. 89); Duncker, Gesch. d. Alte-Eh. II, S. 37. (4. Ausl.) — Hier erscheint Minos als Vertreter des dorischen Hellenismus, der das Barbarenthum auf Kreta besiegte, verdrängte oder sich assimilirte. 19) So früher Athen, Thuk. II, 15; Sparta bestand auch in späterer Zeit nur aus fünf offenen Ortschaften (Komen), vgl. I, 10. Anm. 3 5. 20) So heißt es Odyssee III, 68 ff.: Jetzo begann das Gespräch der Gerenische reisige Nestor: Nun geziemt es ja wohl zu erkundigen und zu erforshcen, Wer die Fremdlinge seien, nachdem sie der Kost sich gesättigt. Fremdlinge, sagt er, wer seid ihr? Woher durchschifft ihr die Woge? Ist es vielleicht um Gewerb, ist's ohne Wahl, daß ihr umirrt Gleich wie ein Raubgeschwader im Salzmeer, welches umherschweift, Selbst darbietend das Leben, ein Volk zu befeinden im Ausland. Tag noch wohnt man in vielen Gegenden Griechenlands ans die alte Weise, — so im Lande der Ozolischen Lokrer, der Aetoler und Nkarnanier nnd in den angrenzenden Theilen des Festlandes, wie denn mich den Bewohnern dieser Gegenden von dem alten Räuberhandwerk her noch die Sitte geblieben ist, in Waffen zu gehen 21). Man trug nämlich in ganz Hellas allgemein Waffen, weil die Wohnsitze unbefestigt und Weg und Steg unsicher waren, und ging darum, wie die Barbaren, auch für gewöhnlich bewaffnet. Wenn noch hent zu Tage in jenen Theilen Griechenlands dieselbe Sitte herrscht, so ist das Beweis dafür, daß in alter Zeit die gleiche Gewohnheit allgemein herrschend war. Die, welche zuerst die Waffen abgelegt und in minder strenger Lebensweise sich einer größeren Bequemlichkeit zugewendet haben, sind die Athener, und es ist nicht so gar lange her, seit in den reicheren Ständen die älteren Leute wieder aufgehört haben, aus Hang zur Weichlichkeit leinene Untergewänder zu tragen und den Haarwuchs in einem Wulst mittels goldener, als Heushcrecke» geformter Nadeln auf dem Scheitel festzuhalten^'). Bei den stammver­ 21) Gemeint ist das Führen der Waffen auch im gewöhnlichen Verkehr, was Aristot. Polit. II, s. II neben dem Kaufen der Weiber als einen Barbarismus des Alterthums erwähnt. (Kr.) Die Türken sahen auch eine Barbarei darin, daß das euroväishce christliche Militär für gewöhnlich bewaffnet geht, Ihre Janitfcharen trugen außer Dienst nur weiße Stäbe. 22) Da die weichliche Lebensart wieder einer männlicheren gewichen war, unstreitig aus Anlaß der vielen Kriege, so bemerkt Thukydides, daß von jener noch vor nicht langer Zeit Spuren dagewesen. Auch in leinenen Untergoväudern (Chitonen) konnte ein Luxus liegen, da es sehr kostbare Arten von Leinwand gab. Als unmännlich mußten sie schon deshalb erscheinen, weil sie auch von den attischen Frauen getragen wurden, Herab. V, 87. Das Haupthaar wurde auf dem Scheitel zu einem Wulst aufgebunden, der bei den Männern Krobylos, bei Weibern Korymbos, bei Kindern SkorpioS genannt wurde. (Kr.) Der Wulst war mit goldenen Haarnadeln in Form von Heuschrecken oder Cikaden festgesteckt; diese Sitte herrschte noch zur Zeit der Schlacht von Marathon, erst mit Perikles hörte sie auf. Aristophanes verspottet die Tracht als altmodisch: Ritter v. 1336 : Dort sehet ihr ihn mit Cikaden im Haar, altväterisch stattliches Auszugs. nnd Wolken v. SS 4: Altmodischer Kram ans der Zeit, die Cikaden als Schmuck trug. wandten Jonern hat sich diese Tracht unter den älteren Leuten sehr lange erhalten. Erst die Lakedämonier führten geringere Kleidung nach jetziger Sitte ein, und bei ihnen haben sich auch in anderer Beziehung die Reichen zur Lebensweise der großen Menge bequemt^). Auch waren sie die ersten, die sich zu den Leibesübungen ganz entblößten und vor den Augen der Zuschauer entkleideten und mit Oel salbten, während früher auch bei den Olympischen Spielen die Athleten mit einem Gurt um die Schamtheile wettkümpften, und es ist erst kurze Zeit her, daß diese Sitte aufgehört hat Bei den Barbaren, und besonders den Asiaten, wenn im Faust- und Ringkamps ein Preis ausgesetzt wird, kämpfen sie auch jetzt noch mit dem Gurt bekleidet ^), wie denn Einer die Punkte, in welchen die alten Hellenen mit den Barbaren von heute gleiche Sitte und Gewohnheit hatten, leicht noch um viele vermehren könnte. Die zuletzt gegründeten Städte aber, deren Erbauer schon der Schisssahrt kundiger und an Geld und Gut reicher waren, wurden dicht am Meere angelegt und durch Mauern geschützt. Auch Landengen wählte man gern, sowohl der Leichtigkeit des Verkehrs wegen, als um den Nachbarn gegenüber möglichst im Vortheil zu sein. Hingegen sind 23) Der Spartaner trug einen knappen Ueberwurf von grobem Tuch ohne Hefteln und Bänder, darunter die Aelteren ein wollenes Hemd ohne AermeN Beschuht (einfache Sohle mit schmalem Rand und Riemen) ging man nur bei festlichen Gelegenheiten, auf Reisen und Feldzügen. Die Jüngeren trugen die Haare kurz geschnitten, Männer dursten sie lang wachsen lassen, „damit der Schöne schöner, der Häßliche aber furchtbarer werde." 24) In der Homerischen Beschreibung des FaustkampseS Jl. Xllll, 683 heißt eS: Erst nun legt er den Gürtel ihm dar, und reichte daraus ihm Schöngeshcnittenen Riemen des mächtigen Stiers von der Weide. Wie Dionysios von Halikarnaß (VII, 72) erzählt, war der Lakedämonier Akanthos der Erste, der eS wagte, sich bei den Olympischen Spielen ganz zu entkleiden und so den Wettlauf anzustellen (720 v. Chr.). „Aber nur zu Olympia. Anders-wo mochte der Gurt sich noch Jahrhunderte erhalten, allgemein wohl erst seit nicht vielen Jahren abgeschafft sein." (Kr.) So erklärt sich das obige „erst kurze Zeit". 25) Denn bei ihnen nackt gesehen zu werden, war selbst für einen Mann schimpflich. Herab. I, 10. Plato, Staat. V, i>. 452 c. (Kr.) die alten Städte wegen der Seeräuber großentheils weit vom Meer entfernt angelegt, nnd zwar sowohl die auf den Inseln, als die des Festlandes, — denn man plünderte sich gegenseitig aus, vorzüglich aber die, welche ohne Schiffsahrt zu treiben an der Küste wohnten —, und so sind sie bis auf den heutigen Tag tief im Lande gelegen. Der Seeräuberei waren aber wohl noch mehr die Inselbewohner, meist Karer und Phöniker, zugethan; denn daß diese Stämme sich auf den meisten Inseln niedergelassen haben müssen, zeigte sich, als die Athener im Verlaufe dieses Krieges die Reinigung von Delos vornahmen ^). Als man nämlich die Todtensärge von der Insel wegschaffte, fand sich, daß mehr als die Hälfte Karer gewesen seien, was an der Gestalt der mitbegrabenen Waffen und an der Begräbnißart, wie sie noch jetzt bei ihnen üblich, zu erkennen war Als aber des Minos Seemacht emporkam, hob sich auch der Verkehr zur See, denn jenes Räuber-voll räumte vor ihm die Inseln, die er meist mit Ansiedlern besetzte. Die Seeanwohner, die schon mehr Geld und Gut erwarben, wechselten jetzt auch weniger ihre Wohnsitze; einige, die reicher geworden, schützten sie sogar durch Mauern. Man strebte nach Gewinn, und deshalb begaben sich die Aermeren in 26) Die Insel Delos war von den ältesten Zeiten her heilig gehalten worden, und Herodot erzählt, daß früher sogar Hyperboräer und Skythen dorthin gewallfahrtet seien. Selbst die Perser vergriffen sich nicht an ihr, obwohl die Stadt unbefestigt, und große Reichthümer darin angehäuft waren. Deshalb verlegten auch die Athener später ihre Bundeskasse in den Tempel des Apollo auf Delos. Auch die Götter hielten die Insel in Ehren, weshalb sie bis zur Zeit des Plinius (50 n. Chr.) nur zweimal erbebt haben soll, während die benachbarten Inseln häufig von Erdbeben heimgesucht waren. Dieser Heiligkeit wegen sollten auch keine Leichname dort geduldet werden; darum hatte schon Peisistratos eine Reinigung vorgenommen, die sich aber nur auf den Raum erstreckte, den man vom Tempel aus übersehen konnte, weshalb sie für ungenügend galt und jetzt über die ganze Insel ausgedehnt wurde. Das Nähere III, 10 4. 27) Sie die sowie die Handh und Wappen an den Schilden ersunden haben. Herab. I, 171, VII^ II. (Kr.) Die Karer waren tüchtige Soldaten und deshalb als Miethstrnppen gesucht, wie auch die im A. T. als Leibwache der jüdischen Könige erscheinenden Kreti und Pleti, d. i. Karer und Philister, eben solche Karische Söldner sind. Die Bewaffnung muß also bei ihnen frühzeitig sehr ausgebildet gewesen sein. den Dienst der Reicheren, und die Mächtigen, welche überlegenes Vermögen hatten, machten die geringeren Städte sich unterwürfig 27*). 27*) Die sich mehr und mehr entwickelnde Stabilität wird aus den sich bildenden Abhängigkeitsverhältnissen hergeleitet. (Kr.) Abhängigkeit der Einen kann nur durch überlegene Kraft (Macht) der Andern herbeigeführt werden. Diese Kraft ist entweder die Macht der mit Kunst und Muth geführten Waffen, oder die des Geldes, als des AeqnivalentS für alle Lebensbedürfnisse, oder die vereinte Kraft der Waffen und des Geldes. Die Waffen für sich allein führen Abhängigkeitsverhältnisse von der dauerhaftesten Stabilität herbei. Beispiele sind: die Spartaner, welche trotz ihrer geringen Zahl über ein halbes Jahrtausend lang die vielfach zahlreicheren Lakedämonischen Bauern und Heloten in derselben gedrückten Stellung niedergehalten haben. Sie führten die Waffen mit Muth und Kunst; den Andern enthielten sie die Waffen vor und richteten sie zur Feigheit ab; durch dieselben Mittel begründeten und erhielten die Osmanen ihre Herrschaft über Nichtmnslims (Rajah). wenn auch zeitweilig und lokal nicht in gleich harter Form, hat der germanisch-hcristliche Feudalismus seine Unfreien und Halbsreien niedergehalten. Die letzten Reste der Leibeigenschaft erfreuen sich noch in diesen Jahrzehnten (18S5) gesetzliches Schutzes (Mecklenburg, geschützt durch die deutsche Bundesverfassung). — Weder die Spartaner noch der Feudal-Adel hatten Geld, fondern lebten von der Natural-Wirthschaft. Die Spartaner oder wenigstens ihre Gesetzgeber wußten, daß dies die Grundbedingung ihrer Staatssorm war; daher ihre strengen Verordnungen, welche eine Geldwirthschast ganz unmöglich machten, — so lange sie eben befolgt wurden. Es ist aber dafür gesorgt, daß überall die Naturalwirthschast durch die des Geldes verdrängt wird. Der Feudal- Adel hat sich durch die einreißende Geldwirthschaft unvermerkt aus seiner Stellung herauslocken lassen; Sparta hat noch Jahrhunderte lang widerstrebt, aber die Macht des Geldes war schließlich überlegen. — Das Geld für sich allein demokratisirt, weil die Bedingungen, welche dasselbe im ausschließlichen eigenen Besitz zu halten erlauben, woraus ja bei der Stabilität der Verhältnisse Alles ankommt, nur in geringem Grade vom Willen des Menschen abhängen: der Vater erwirbt, der Sohn verdirbt. Es rollt rasch durch viele Hände, gehorcht also einem Gesetze, welches dem der Adels-Ansschließlichkeit grade entgegengesetzt ist. Es ist aber Macht, vertheilt also seine Macht abwechselnd an Viele, d. h. es demokratisirt. Der Staat kann aber auf Geld allein sich nicht basiren. Wenn Geld- und Handelsstaaten aushören, waffentüchtig zu sein, so ist ihr Untergang besiegelt: Karthago, Venedig: — Staaten, welche ihre Macht aus Waffen und Geld bauen: zeitweilig Karthago, Venedig, jetzt England (Holland in kleinerem Maßstab), Athen von S00—400. (Da das Geld hauptsächlich durch Industrie und Handel erworben wird, so sind dies lauter Seestaaten.) Im Peloponnesifchen Krieg stehen aus der einen Seite Waffen (Schiffe) und Geld mit demokratischem Bewußtsein; auf der andern Waffen (mehr Land­ und dies war schon mehr der Zustand, in welchem sich die Hellenen befanden, als sie dann den Zug gegen Troja unternahmen. Auch Agamemnon scheint mir vielmehr durch seine überlegene Macht die Andern zu jenem Zuge gebracht zu haben, und nicht sowohl als der Vornehmste unter den Freiern der Helena, welche ein Eid dem Tyndareos verpflichtet hielt ^). Es erzählen nämlich auch die, welche macht) und weniger Geld, bei Naturalwirthschast, mit aristokratischem Bewußtsein. (Dies gilt nur von den anführenden Staaten.) Brutalität entwickelte sich aus beiden Seiten, — die größere, d. h. der äußern Masse nach, auf der demokratischen (Athen, Kerkyra), eben weil es hier Massen sind, welche den Fehler begehen; dabei ist aber viel Schein; dafür haben die Spartaner durch Jahrhunderte zahllose Massen verth und auch in diesem Kriege ganze Massen Heloten z. meuchlings im Dunkel der Privathäuser abgeschlachtet. Ein dem Prinzip nach ähnlicher Krieg ist der Nord-Amerikanische gewesen, in welchem die entsetzlichste Brntalität aus Seite des Südens (Sklaven-Barone) Gränel in solchen Massen verübte , wie sie die Geschichte nur auf wenigen Blättern zu erzählen hat, — der demokratische Norden aber sich menschlich erwies, ein erfreuliches Zeichen des innern Fortschritts, den das demokratische Bewußtsein gemacht hat zu höherem Adel. Im Peloponnesischen Krieg erfocht die mehr aristokratische Partei einen scheinbaren Sieg, welcher die Niederlage des ganzen Hellenenthnms, des damaligen Vertreters der Menschlichkeit, war, — im Nordamerikanischen Krieg erfocht die demokratische Partei einen wirklichen Sieg, welcher ein Sieg der höheren Menschlichkeit war. Die kleinen griechischen Demokratien lebten sich rasch zu Ende; der großen amerikanischen sind die äußeren, besonders die räumlichen Verhältnisse noch auf längere Zeit günstig. In unserer Stelle und im Folgenden spricht Thukydides die ganz richtige Ansicht aus, daß zur Zeit des Trojanischen Krieges in den griechischen Seestaaten, unter denen der des Agamemnon der mächtigste war, Waffen- und Geldwirthschast herrschte. Homer widerspricht nicht in den Realien, welche er bietet; vielmehr gehen diese von derselben Voraussetzung aus; denn wie können Achaier und Troer solche Schiffe, Wassen, Wagen, Häuser, Schmuck, Gewandung, Geräthe, Kunstwerke besitzen ohne Geld? Der Widerspruch in der Zeichnung der Menschen ist kein Widerspruch, denn hier hat der Dichter immer nur die Ideale, das Göttliche im Menschen vor Augen. 28) Tyndareos, Vater der Helena, hatte aus den Rath des Odyssens sämtliche Freier der Helena eidlich verpflichtet, den von ihm zu wählenden Schwiegersohn anzuerkennen und gegen jeden Angriff zu schützen. Während nun die Dichter hierin die eigentliche Begründung des gemeinsamen Zugs gegen Troja sahen, erscheint dem Thukydides die Sache vielmehr so, als ob Agamemnon, als der durch Bekanntschaft mit der Ueberlieferung der Alten über die Peloponnefifchen Dinge am besten unterrichtet sind, daß der Ursprung der Macht des Pelops in den: Geldreichthmn zu suchen sei, mit welchem er aus Asien zu den dürftigen Eingebornen herübergekommen, und daß er eben deshalb, obgleich ein Fremder, zu der Ehre gelangte, dem Lande den Namen zu geben ^). Noch viel glücklicher seien aber seine Nachkommen gewesen. Enrystheus nämlich, der in Attika durch die Heraklideu seinen Tod fand, habe, als er in den Krieg zog, die Stadt Mykene und die Regierung der nahen Verwandtschaft wegen dem Atreus, seiner Mutter Bruder, anvertraut, welcher damals grade wegen der Ermordung des Ehrysippos vor seinem Vater flüchtig war; und da nun Eurystheus nicht mehr zurückkehrte, habe Atreus die Herrschaft über Mykene und alle Besitzungen des Eurystheus, und zwar mit der Mykener Zustimmung, an sich genommen, denn diese fürchteten die Herakliden, ihn selbst aber, der überdies dem Volke zn gefallen verstand, hielten sie für stark genug, und so seien die Pelopiden mächtiger geworden als die Abkömmlinge des Perfens Das Alles reichste und mächtigste Fürst jener Zeit, die Theilnahme der übrigen esse-AMgen habe. 29) Der Name verdankt seinen Ursprung vielleicht erst dem Tyrtäos (Strabo VIII. S. P. 362 : „Gekommen sind wir in de- Pelops breitgedehnte Insel"). (Kr.) 30) Nach dem Willen des Zeus wäre die S-rrschast über Mykene auf seinen Sohn, den Herakles, übergegangen, hätte Hin: seine Gemahlin Hera aus Eifersucht die Eileithyia, d. i. die geburtfördernde Göttin, bewogen, die Geburt des Herakles zurückzuhalten und die des Eurystß-us, des SohneS des Sthenelos, zu beschleunigen. So wurde dieser, als der früher geborene, König. Die Söhne des Herakles aber suchten ihr rechtmäßiges Erbe zurückzuerobern und fanden Aufnahme und Hilfe in Attika. Gegen diese nun -zog Eurystheus zu Felde und blieb im Kampfe. Die Mutter des Eurystheus war Nikippe (auch Leukippe, Archippe, Menippe, Amphibia), eine Tochter des Pelops, also Schwester des AtreuS. Dieser hatte mit seinem Bruder Thyestes, aufgereizt von ihrer Mutter Hippodamia, den Ehrysippos erschlagen, einen Sohn des Pelops und der Nymphe Axioche (Astioche oder Danais), den Pelops vorzüglich liebte, und war deshalb zu seiner Schwester nach Mykene geflohen, wo der gegen die Herakliden zu Feld ziehende Eurystheus ihm die Regierung übergab, welche er auch nach jenes Tode behielt. Eurystheus war ein Enkel des Perseus, und es war also jetzt die Herrschaft von den Perseiden an die Pelopiden übergegangen. Die Nachkommen des Herakles kehrten nun hat sich, wie mir scheint, auf Agamemnon vererbt, und da er überdies auch durch eine mächtige Flotte den Andern überlegen war, so hat er dieselben wohl mehr durch die Furcht, die er einflößte, zu jener Unternehmung vereinigt, als daß sie es ihm zu Liebe gethan hätten 21); denn es zeigt sich, daß er für seine eigene Person mit der größten Anzahl von Schiffen erschien und überdies noch den Arkadiern solche gestellt hat ^-). So erzählt nämlich Homer, — wenn dieser überhaupt als Gewährsmann gelten kann. Auch läßt er ihn an der Stelle, wo von der Vererbung des Scepters die Rede ist (Jl. II, 108): „Inseln viele beherrschen und sämtliche Gaue von Argos." Als festlandischer Fürst kann er aber nicht wohl über die wenigen zunächst gelegenen hinaus auch noch andere Inseln beherrscht haben, wenn er nicht im Besitz einer Flotte war. Und nach diesem Kriegszug muß man sich auch ein Bild von den vorangegangenen Zuständen machen. Wollte man aber blos aus dem Umstände, daß Mykene eine später (1104 v. Chr.), mit den Doriern verbündet, in den Peloponnes zurück (Herakliden- ode. Dorische Wanderung! und eroberten denselben, womit die Perse.den wieder zu Macht gelangten, denn auch des Herakles Mutter Alkmene und sein Ziehvater Slmphitryo waren Enkelin und Enkel des Perseus. 31) Dies, nicht der Eid des U^ndareos, wird hier als Grund erwähnt, mit Bezug auf Homer Od. V, 307 (Seidler), vgl. Jl. I, 153. (Kr.) 32) Jl. II, 576 ff.: Diesen in hundert Schiffen gebot Heerkürst Agamemnon, AtreuS' Sohn. Ihm folgte das mehreste Volk und das beste Heer zum Streit, und er selber, in blendendem Erze gerüstet, Trotzte voran, da er herrlich hervorschien unter den Helden, Weil er der tapferste ivar und des mehresten Volkes Gebieter. Und v. 60S ff. heißt eS von den Arkadiern: Deren führt des Ankäos gebietender Sohn Agagenor Sechzig Schiffe daher; zahlreich in jedes der Schiffe Traten arkadische Männer, gewandt in Kriegeserfahrung, Denn er selbst gab ihnen, der Völkerfürst Agamemnon, Schöngebordete Schiffe, das dunkele Meer zu durchsteuern, AtreuS' Sohn; nicht waren der Meergeschäste sie kundig. kleine Stadt war^), und daß die eine oder andere der damaligen Ortschaften jetzt nicht mehr nennenswerth ist, schließen, jener Zug sei nicht so bedeutend gewesen, wie die Dichter ihn schildern, und wie die Sage von ihm annimmt, so würde diese Ungläubigkeit aus sehr schwachen Gründen beruhen; denn nehmen wir den Fall, Lakedämon sei zerstört worden, und Nichts davon übrig geblieben als die Tempel und die Fundamente des Baurisses, so möchten wohl nach Verlauf längerer Zeit spätere Geschlechter die Erzählung vom Ruhme der Lakedämonier sehr, ungläubig aufnehmen, und doch besitzen sie zwei Fünftheile des Peloponnes und haben die Oberleitung des Ganzen und vieler auswärtigen Bundesgenossen 34). Nichtsdestoweniger möchte aber ihre Stadt ziemlich ärmlich ershceinen, da sie weder zusammenhängend gebaut ist, noch durch Tempel und kostspielige Anlagen sich auszeichnet, sondern nach alter hellenischer Art des Städtebau's aus einzelnen Dorsschasten zusammengesetzt ist^). Wenn hingegen dasselbe den Athenern geschehen sollte, so müßte man nach dem, was von ihrer 33) Mykene heißt bei Homer Jl. II, 559 „die Stadt voll prangender Häuser". Diesen Glanz büßte e- nach der Rückkehr der Herakliden ein. Im Jahre 468 v. Chr., also 37 Jahre vor dem Peloponnesischen Kriege, wurde die Stadt von den Argioern zerstört (Tiodor XI, 65) und ist es seitdem geblieben. Der Geograph Strabo Will, S. p. 372, zur Zeit I. Chr.) sagt, daß zu seiner Zeit keine Spur davon erhalten gewesen sei; trotzdem sind die ste noch zu Tage nicht unbedeutend. Das sogenannte Löwenthor und die Schatzkammer des Atreus finden sich häufig abgebildet. — Neuerlichst hat Schliern ann dort höchst werthoolle Funde, Zeugen des alten Reichthums, gemacht. 34) Den Lakedämoniern gehörte auch Messenien, dessen Name fast verschollen war. Bei den zwei Fünstheilen wird übrigens an Argos nicht gedacht sein. (Kr.) 35) Sparta bestand aus fünf o Ortschaften Vier sind be- iannt: Pitana, Mesoa, Limnsoder Lymnäonund Kynosura, die fünfte wahrscheinlich das eigentliche Sparta. Großartige Bauten waren nicht vorhanden, die Häuser nur roh gezimmert. Nach Lykurgischem Gesetz wurden zu Decke und Thür keine andern Werkzeuge verwendet, als Beil und Säge. Von Leotychides (380 v. Chr.) und Agesilaos (330 v. Chr.), also von Königen, wird erzählt, daß sie beim Anblick sorgfältig zugeschnittenes Gebälkes im Hause ausländischer Gastfreunde mit (sreilich angenommener) Verwunderung gefragt hätten, ob denn die Bäume dort eckig wüchsen? Nothwendige Folge der Naturalwirtschaft, denn Künstler arbeiten nur für Geld. Vgl. Schömann, Griech. Alterth. I, S. 214, 284. Stadt zu sehen wäre, ihre Macht doppelt so groß schätzen, als sie in der That ist. Man darf also hier nicht ungläubig sein und mehr nach dem Aussehen der Städte, als nach der wirklichen Macht urtheilen wollen, sondern wir müssen annehmen, daß jener Kriegszug alle früheren an Großartigkeit übertroffen habe, hinter den jetzigen aber allerdings zurückbleibe. Darf man der Schilderung Homer's auch hierin Glauben schenken, obgleich es selbstverständlich ist, daß er als Dichter die Dinge in's Größere und Schönere ausmalt, so erscheint selbst unter dieser Voraussetzung der Zug ziemlich ärmlich. Homer erzählt nämlich, daß von den zwölfhundert Schiffen die Böotischen je hundert und zwanzig Mann führten, und die des Philoktet je fünfzig ^), wodurch er, wie mir scheint, das größte und das kleinste Maß anzeigen will; denn von der Bemannungsstärke der übrigen ist im Verzeichnis; der Schiffe keine Rede. Daß aber die ganze Bemannung der Schiffe Ruderer und streitbare Männer zugleich gewesen sind, geht aus dem hervor, was er bei Gelegenheit der Schiffe des Philoktet sagt, indem er nämlich alle Ruderer zu Bogenschützen macht. Die Zahl der außerdem Mitschiffenden war aber wohl nicht sehr groß, wenn man von den Königen nnd Kriegsbeamten absieht; denn sie interna hmen ja die Seefahrt mit vielem Ballast von kriegerischem Rüstzeug, und überdies führten ihre Schiffe kein Verdeck, sondern waren nach Art der alten Seeräuberschiffe offen gebaut. Nimmt man also das Mittel zwischen den größten und den kleinsten Schiffen, so kommt für das ganze Heer keine eben sehr große Zahl heraus, in Anbetracht daß ganz Hellas dasselbe gemeinsam stellte. Die Ursache hievon ist aber nicht sowohl im Menschen- mangel, als vielmehr in Geldarmuth zu suchen, denn wegen der schwie- 36) 1200 Schiffe, runde Zahl für 1186, Jl. II, 494 — 759. Von den Böotischen Schiffen sagt Homer Jl. II, 510 f.: Die nun zogen daher in fünfzig Schiffen, nnd jedes Trug der Böotischen Jugend erlesene hundert und zwanzig. Von denen des Philoktet v. 713 ff.: Tiefen gebot Philoktetes der Held, wohlkuiidig des Bogens: Sieben waren der Schiff, und der Ruderer fünfzig in jedem, Alle der Bogenknnd' erfahrene tapfere Streiter, rigen Beschaffung der Lebensmittel mußten sie auch die Heereszahl schwächer nehmen und konnten nur so viel Mann überführen, als sie hoffen durften, trotz dem Kriege dort erhalten zu können. Nachdem sie aber gleich nach der Landung eine Schlacht gewonnen hatten^) — und das muß geschehen sein, denn sonst hätten sie ihr Lager nicht mit einer festen Mauer umgeben können —, so zeigt sich selbst dann noch, daß sie nie mit ihrer Gesamtmacht auftraten, sondern sie beschäftigten sich zugleich auch mit dem Landbau auf dem ^thrakischen^ Chersonnes 38) und mit Seeräuberei, eben aus Mangel an Lebensmitteln. Wegen dieser Zersplitterung der Kräfte widerstanden die Trojaner um so leichter die zehn Jahre hindurch, indem sie es mit den jedesmal Zurückgebliebenen wohl aufnehmen konnten. Hätten jene aber hinreichende Vorräthe an Lebensmitteln gehabt, und hätten sie, ohne Seeraub und Landbau zu treiben, beständig mit ihrer ganzen Macht den Krieg fortgeführt, so wären sie leicht durch einen Sieg in offener Feldschlacht der Stadt Meister geworden, da sie ja auch, ohne vollzählig zu sein, mit dem grade anwesenden Theil des Heeres erfolgreichen Widerstand leisteten; und hätten sie sich zur Belagerung herbeigelassen, so würden sie in kürzerer Zeit und mit noch weniger Mühe Troja genommen haben. Allein eben des Geldmangels wegen war nicht nur Alles früher Geschehene von keiner Bedeutung gewesen, sondern selbst noch diese Unternehmung, obgleich bei Weitem namhafter als alle früheren, zeigt sich in der Wirklichkeit viel unbedeutender, als wozu der Ruf und die in unserer Zeit verbreitete dichterische Sage sie machen.